Wer zu wenig schläft riskiert Hungerattacken und langfristig Adipositas. Zu diesem Schluss kommen Forscher aus Kalifornien, die Probanden bewusst unter Schlafentzug stellten und im Anschluss daran deren Essverhalten erforschten. Das Ergebnis war eindeutig: Je weniger Schlaf die Personen in der Nacht zuvor bekamen, desto größer war der Appetit auf stark kalorienreiche Lebensmittel, wie beispielsweise Chips, Schokolode und Erdnussbutter. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Wer schlank werden bzw. bleiben möchte, sollte neben einem guten Frühstück, einer allgemein ausgewogenen Ernährung und Bewegung auch auf ausreichend nächtliche Ruhe achten.
Kalifornische Wissenschaftler vergleichen Essverhalten
Bereits seit vielen Jahren sind sich Ernährungswissenschaftler sicher, dass ein Zusammenhang zwischen den Schlafgewohnheiten und dem Ernährungsverhalten beim Menschen besteht. Auch die eigentliche Tatsache, dass sich zu wenig Schlaf förderlich auf die Entstehung von Übergewicht auswirkt, ist an sich nicht neu. Bisher konnten aber keinerlei physiologischen oder psychologischen Gründe für diese Tatsache festgestellt werden. Um dies zu ändern wurden unlängst 23 vollkommen gesunde Probanden zu einer entsprechenden Untersuchung an die Universität von Kalifornien in Berkeley gebeten.
Die Testpersonen wiesen keinerlei körperliche Erkrankungen auf und waren allesamt normalgewichtig. Alle Personen sollten dabei zwei Nächte im universitätseigenen Schlaflabor verbringen, wobei die beiden Nächte in Bezug auf die Schlafmöglichkeiten sehr unterschiedlich gestaltet wurden. Während die 23 Teilnehmer in der ersten Nacht 8 Stunden lang schlafen konnten, wurden sie in der zweiten Nacht vollständig wach gehalten. Um auch die nächtliche Stoffwechselrate entsprechend aktiv zu halten und quälenden Hunger zu vermeiden standen den Probanden in der durchwachten Nacht Äpfel und Cracker mit Erdnussbutter als Nahrungsmittel zur Verfügung.
Müde Probanden lechzten nach kalorienreicher Nahrung
An den zwei Morgen stellten ihnen das Wissenschaftspersonal unter der Leitung von Matthew Walker lediglich ein leichtes Frühstück zur Verfügung, ehe den müden Probanden Fotos von diversen Nahrungsmitteln gezeigt wurden. Von den insgesamt 80 gezeigten Bildern sollten sich die Testpersonen die für sie als am schmackhaftesten eingeschätzten Lebensmittel heraussuchen. Dabei ergaben sich teilweise gravierende Unterschiede in der Nahrungsmittelwahl. Unter dem Einfluss der starken Müdigkeit entschieden sich nahezu alle Versuchspersonen für stark kalorienreiche, schwere Speisen. V. a. klassische zuckerhaltige Nachspeisen standen in der Gunst der ansonsten völlig normalgewichtigen Probanden ganz oben.
Anhand von Berechnungen bildeten die Forscher eine Differenz zwischen den Speisewünschen der ersten und der zweiten Nacht – mit verblüffendem Ergebnis: Nach der unnatürlich langen Wachphase summierten sich die Speisewünsche auf eine Gesamtzahl, die rund 600 kcal über denen der ersten Nacht lag. Langfristigwürde dieser Unterschied sicher zu einer Adipositas führen, deren Folgen Bluthochdruck, Arteriosklerose, Diabetes mellitus und Herzinfarkt sein können.
Neuronale Hemm-Mechanismen werden unterdrückt
Während den visuellen Eindrücken durch die Nahrungsmittel wurden die Gehirne der Probanden mittels funktioneller Magnetresonanztomographie untersucht. Dabei war eine Hirnregion die ganze Zeit besonders aktiv: Die Amygdala bzw. die Corpora amygdaloideum. Diese Region ist das emotionale Zentrum unseres Gehirns und für die emotionale Auswertung von Sinneseindrücken zuständig. Im Normalfall unterliegt dieser Prozess zusätzlich einer rationalen Bewertung durch den präfrontalen Kortex. Letzterer verhilft uns zu vernunftorientierten Entscheidungen und einer faktenbezogenen Analyse.
Genau dieser Hirnbereich ist aber als Folge des Schlafmangels nur sehr gering aktiv, sodass sich die Amygdala durchsetzt. Die konkrete Folge ist: Die von Schlafmangel geprägten Menschen suchen ihre Speisen v. a. danach aus, was ihnen am besten schmeckt und was am schnellsten Sättigung bringt. Eine Analyse über Nährstoffgehalt, Kalorienreichtum und sonstige gesundheitlich relevante Parameter unterbleibt weitestgehend. Das Vorhaben, sich gesund zu ernähren und eine sportlich-schlanke Figur zu erlangen bzw. zu erhalten, lässt sich folglich nur mit ausreichend Schlaf realisieren.
Quellenangabe:
- Studien-Abstract: The impact of sleep deprivation on food desire in the human brain (06.08.2013)
- Pressemitteilung der University of California, Berkeley (06.08.2013)
- Dt. Ärzteblatt (07.08.2013)
- Neuroanatomie – Struktur und Funktion (Martin Trepel), Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH
- Kurzlehrbuch Physiologie (Jens Huppelsberg, Kerstin Walter), Thieme-Verlag
- Biochemie des Menschen (Florian Horn), Thieme-Verlag
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