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Arteriosklerose
Arteriosklerose sciencepics / shutterstock.com

Arteriosklerose

Der Blutfluss wird gestört

Wir nennen es den Saft des Lebens: Zwischen 5 und 7 Liter Blut bewegen sich jeden Tag unseres Lebens pausenlos durch den Körper.

Ohne Blut ist jedes menschliche Leben undenkbar. Die Flüssigkeit versorgt den Körper permanent mit den Dingen, die Gewebe und Zellen zum Überleben benötigen: Sauerstoff und Nährstoffe. Gleichzeitig werden Abbauprodukte und Abfälle des Stoffwechsels durch Blut abtransportiert. Weder das Immunsystem, noch die meisten Hormone könnten ohne den Transport durch die Gefäße an den Ort ihres Geschehens gelangen. Schlussendlich wäre nicht einmal eine konstante Körpertemperatur ohne das flüssige Organ möglich.

Was aber, wenn dem Blut plötzlich der Weg abgeschnitten wird? Wenn einige Bereiche unseres so komplexen Organismus auf einmal nicht mehr mit den lebensnotwendigen Stoffen versorgt werden? Das Blut fließt nicht einfach so durch unseren Körper: Es ist auf ein umfangreiches Leitungssystem aus Gefäßen angewiesen. Diese Blutbahnen können bei gewissen Erkrankungen verengt werden – Fremdstoffe lagern sich an die Gefäßwände. Der Weg des Blutes wird somit immer weiter eingeengt mit möglicherweise katastrophalen Folgen für das hinter der Engstelle liegende Gewebe. Der Fluss des Lebens gerät ins Stocken – die Arteriosklerose nimmt ihren Anfang.

Arteriosklerose: Tödlicher als Krebs, Suizid und Verkehrsunfälle zusammen

Bereits im Jugendalter beginnt die Arteriosklerose durch Ablagerung von Partikel an der Arterienwand. Bis zu einem gewissen Grad ist dies vollkommen normal. Es ist selbstredend, dass die Blutgefäße eines 85-jährigen Mannes nicht mehr so frei und sauber sein können wie die eines Säuglings. Eine gewisse Arteriosklerose ist also normal. Bestimmte medizinische Faktoren können die Arteriosklerose allerdings signifikant beschleunigen und verstärken. Dabei können alle Arterien betroffen sein. Beschwerden verursacht die Arteriosklerose erst dann, wenn es zu einer deutlichen Unterversorgung des entsprechenden Körperareals mit Blut kommt. Häufig ist dann bereits Gewebe abgestorben und irreparable Schäden sind die Folge.

Die bekanntesten Folgen einer Arteriosklerose sind Herzinfarkt und Schlaganfall. In beiden Fällen ist die Blutzufuhr durch Arteriosklerose zu einem Teil des jeweiligen Organs unterbunden – die Folgen sind Lebensgefahr und Organschäden. Derzeit sterben in Deutschland jährlich rund 342.000 Menschen direkt oder indirekt an Arteriosklerose. Neben Bluthochdruck ist Arteriosklerose der Todmacher schlechthin, mit allen Folgen für Gesellschaft und Gesundheitssystem.

Die tödliche Verschmutzung der Blutbahn – Wer ist besonders gefährdet?

Eine gewisse Arteriosklerose ist dem Alterungsprozess geschuldet und zunächst einmal nicht alarmierend. Bestimmte körperliche Voraussetzungen können die Arteriosklerose aber beschleunigen. Bekannt ist, dass erhöhte Blutfettwerte und Tabakgenuss Arteriosklerose fördern. Sicherlich sind dies auch die bedeutendsten Risiken für Arteriosklerose. Aber es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Arteriosklerose-Risikofaktoren.
Männer haben grundsätzlich ein erhöhtes Risiko, an Arteriosklerose zu erkranken. Wissenschaftlich konnte dies bisher noch nicht zweifelsfrei geklärt werden, vieles spricht aber für hormonelle Ursachen. Ein fortgeschrittenes Alter stellt auch einen nicht beeinflussbaren Risikofaktor für Arteriosklerose dar – ebenso wie eine genetische Veranlagung.

Gutes und schlechtes Cholesterin

Grundsätzlich stellt ein erhöhter Cholesterinspiegel als solches noch nicht unbedingt ein großes Problem dar, vielmehr ist das Verhältnis zwischen den beiden Komponenten dieser Verbindung entscheidend für die Entstehung von Arteriosklerose:

  • das HDL-Cholesterin besitzt eine vor Arteriosklerose schützende Funktion, in dem es abgelagertes Cholesterin von den Wänden der Gefäße bindet und zur Leber transportiert, wo es weiter verarbeitet wird. HDL ist also eine Art „Gefäßreiniger“, folglich sollte dessen Blutspiegel ausreichend hoch sein (> 40 mg/dl).
  • das LDL-Cholesterin hat die Aufgabe, von der Leber gebildetes Cholesterin durch die Blutbahn in die Peripherie zu den Zellen zu transportieren. Dort wird es über Rezeptoren ins Zellinnere aufgenommen und verarbeitet. Ist der Gehalt an Cholesterin zu hoch und kann nicht ausreichend verarbeitet werden, lagert es sich an den Gefäßwänden ab und trägt zur Arteriosklerose bei. Demnach sollte zum Schutz vor Arteriosklerose der Wert unter 130 mg/dl gehalten werden.

Weitere Risikofaktoren der Arteriosklerose:

  • Grundsätzlich fördert Tabakgenuss Arteriosklerose besonders stark. Die im Zigarettenrauch enthaltenen Verbindungen, allen voran Teer, lagern sich im Epithel der Arterien ab. Insbesondere in Verbindung mit einem erhöhten LDL-Cholesterinspiegel steigt das Risiko für Arteriosklerose um den Faktor 10.
  • Blutfette aller Art korrelieren oft mit dem Anteil an Körperfett. Insofern ist mangelnde Bewegung und Übergewicht grundsätzlich ein Arteriosklerose begünstigender Faktor. Ein Mensch mit Adipositas muss zwar nicht zwangsläufig erhöhte Blutfette und Arteriosklerose haben, in vielen Fällen ist dies aber so.
  • Diabetes mellitus (I oder II) ist ein großer Risikofaktor für Arteriosklerose. Zuckerkristalle in Augen und Nieren führen zur Arteriosklerose mit den entsprechenden Folgen.
  • Bluthochdruck sorgt für eine Überbelastung der Arterien. Langfristig bilden sich so kleine Läsionen in der Gefäßwand. Fatale Folge: Diese anfangs sehr kleinen Risse bieten im Blut zirkulierenden Partikeln die ideale Möglichkeit, hängen zu bleiben und sich dort abzulagern und eine Arteriosklerose auszulösen. In der Folge sammeln sich immer mehr Plaques um die Risse, welche ihrerseits immer weiter aufplatzen, wodurch sich die Asrteriosklerose verschärft. Diese Stellen im Gefäß sind oft früher oder später von einem kompletten Gefäßverschluss betroffen.
  • einige internistische Erkrankungen bedingen auch ein erhöhtes Arteriosklerose-Risiko. Dazu gehören: Schilddrüsenüberfunktion, Chronisches Nierenversagen, Gicht, Rheumatoide Arthritis
  • schlussendlich fördert auch Stress die Arteriosklerose, ebenso wie bei Frauen ein Mangel an Östrogen während der Wechseljahre

Komplizierte biochemische Prozesse führen zur Katastrophe

Man darf sich die Arteriosklerose nicht als simplen Prozess vorstellen, in dem irgendwelche im Blut herum schwimmenden Partikel einfach an den Gefäßwänden hängenbleiben. Arteriosklerose ist ein hochkomplexer Vorgang:

  • Durch jahrelangen Bluthochdruck, Viren, bakterielle Gifte oder Entzündungen liegen kleine mechanische Schäden an der innersten Schicht der Arterie – wissenschaftlich als Intima bezeichnet – vor. Kleine Risse oder Löcher in der Gefäßwand sind Voraussetzung für den Beginn der Arteriosklerose.
  • Die kleinen Unebenheiten in der Intima sorgen für das Hängenbleiben und Anheften von bestimmten Typen weißer Blutkörperchen, den Monozyten. Diese reichern sich zunächst an den Läsionen an, werden zahlreicher und verstärken die Arteriosklerose.
  • Die Monozyten besitzen die Fähigkeit, sich in sogenannte Fresszellen zu verwandeln. Nachdem dieses zahlreich geschehen ist, dringen jene Fremdkörper aktiv weiter in das Gefäßepithel ein und vergrößern dadurch die bereits vorhandene Arteriosklerose bzw. Schädigung.
  • In die nun größere Öffnung der arteriellen Wand strömen neben weiteren Blutkörperchen auch massenhaft Zellen und Partikel. Dies sind v. a. das Arteriosklerose-fördernde LDL und Bindegewebsteilchen, die im Blut zirkulieren. Erschwerend kommt hinzu, dass die gebildeten Fresszellen an ihrer Oberfläche zahlreiche LDL-Rezeptoren besitzen und damit mengenweise weiteres Cholesterin anziehen und fest binden.
  • Die Fresszellen versammeln unzählige Cholesterinteilchen um sich herum und werden so zu größeren, sogenannten Schaumzellen.
  • Diese Schaumzellen verursachen eine heftige Entzündungsreaktion, die zunächst auf die innere Gefäßschicht beschränkt ist, sich aber mit der Zeit auf die weiteren Kompartimente ausdehnt. Zuerst ist die mittlere, aus Muskulatur bestehende Schicht (Media) betroffen, ehe sich das entzündliche Geschehen auf die aus Bindegewebe bzw. Kollagen bestehende Außenschicht (Adventitia) ausdehnt.
  • Die in der gesamten Gefäßwand angehäuften Schaumzellen und die bestehende Entzündung bewirken einen allmählichen bindegewebigen Umbau der Arterie mit steigender Spannung auf die entsprechende Stelle.
  • Ab einem gewissen Zeitpunkt zerplatzt die gesamte entzündliche Stelle und ragt direkt in das Innere der Blutbahn hinein. Hier sammeln sich nun rasch weitere Fettmoleküle, rote Blutkörperchen und Bindegewebszellen, bis das Gefäß letztlich komplett verschlossen ist oder sich evtl. eine Thrombose bildet. Das Vollbild der Arteriosklerose ist erreicht.
  • Das hinter dem Verschluss liegende Gewebe wird nicht mehr mit Blut versorgt und kann dauerhaft geschädigt bleiben.

Kleiner Durchmesser – hoher Druck: Teulfelskreis Arteriosklerose

Bereits während des Prozesses der Arteriosklerose passieren unweigerlich zwei Dinge:

  • der Gefäßdurchmesser nimmt kontinuierlich ab
  • die Arterienwand verliert immer mehr an Elastizität

Folge dieser beiden Geschehen ist ein schnellerer und heftigerer Anstieg des Blutdruckes. Dies wiederum begünstigt die Entstehung weiterer Schädigungen und Blutleeren im Körper. Ein Teufelskreis hat begonnen….

Der stumme Killer und seine Folgen: Was richtet die Arteriosklerose an?

Die bekanntesten Folgen der Arteriosklerose sind – wie erwähnt – Herzinfarkt und Schlaganfall. In beiden Fällen kommt es als Konsequenz einer Gefäßengstelle zu einer Unterversorgung des muskulären bzw. neuronalen Gewebes. Sowohl Muskel- als auch Nervenzellen haben die Eigenschaft, sich nach Ende der embryonalen Entwicklung nichtmehr zu teilen, d. h. die Zellen, die nach einem Infarkt untergegangen sind, werden nicht mehr ersetzt. 80 % der Schlaganfälle entstehen auf diese Art. Die restlichen 20 % entstehen durch eine Hirnblutung, wobei auch hier die Ursache in einer Arteriosklerose liegen kann. Schon bevor ein Herzinfarkt eintritt, verursacht die Arteriosklerose Anfälle von Brustschmerzen. Ein Phänomen, das als Angina pectoris bzw. Koronare Herzkrankheit (KHK) bekannt ist.

Auch die übrigen Gefäße können von Arteriosklerose betroffen sein. Besonders bekannt sind Arteriosklerose-Herde in den Beinen, die im schlimmsten Fall zum Absterben der Extremitäten führen können. Mediziner nennen das Phänomen die Periphere Arterielle Verschlusskrankheit (PAV). Häufig von Arteriosklerose betroffen ist auch die Niere, die auf eine Minderdurchblutung mit Unterfunktion reagiert. Aber bereits bevor es zu den lebensgefährlichen Arteriosklerose-Folgen kommt, zeigen sich die ersten Anzeichen einer Arteriosklerose beim Mann an einer anderen Stelle: Erektionsstörungen sind oft die ersten Vorboten einer Arteriosklerose.

Wie wird eine Arteriosklerose diagnostiziert?

  • Erhebung der Krankengeschichte
  • Blutuntersuchung
  • Herzkatheter
  • Angiographie
  • Ultraschall der Halsschlagader
  • Belastungs-EKG

Es muss nicht soweit kommen: Vorbeugende Maßnahmen

Arterioklerose kann jeden treffen. Gerade ein genetisch hoher Cholesterinspiegel stellt ein Problem dar, dem der Betroffene frühzeitig begegnen sollte. Prinzipiell empfiehlt sich eine fettarme Ernährung mit viel Obst und Gemüse. Alkohol sollte nur in Maßen genossen und auf Tabak komplett verzichtet werden. Regelmäßiger Sport ist der beste Weg, Arteriosklerose zu vermeiden. Hierzu eignet sich am besten Ausdauertraining, mehrmals wöchentlich. Dies beugt auch Bluthochdruck und Übergewicht vor. So schwierig es ist: Jeder sollte versuchen, Stress möglichst zu umgehen. Ist der Alltag auch immer schneller und kurzlebiger, mit genügend Ausgleich und Entspannungsübungen kann übergroßer Stress vermieden werden.

Statine – Helfer im Kampf gegen Arteriosklerose

Im Falle einer familiären Hypercholesterinämie kann es passieren, dass der Cholesterinspiegel trotz gesunder Ernährung und  Sport nicht unter ein Arteriosklerose-fördernden Pegel gesenkt werden kann. Hier kann durch Arzneistoffe aus der Gruppe der Statine nachgeholfen werden. Statine sind Medikamente, die die Blutfette durch verschiedene Mechanismen senken und so vorbeugend bezüglich einer Arteriosklerose wirken. Als besonders wirksam haben sich Pharmazeutika mit der Wirkstoffkombination aus Simvastatin und Ezetimib erwiesen.

Die entsprechenden Arzneimittel sind bei Weitem nicht mehr so voller Nebenwirkungen und werden in den meisten Fällen gut vertragen. Liegt bereits ein Herzinfarkt oder Schlaganfall vor, so ist die Einnahme der Lipidsenker essentiell. In diesem Fall ist die Frage nach einer operativen Aufweitung der von Arterioklerose betroffenen Gefäße zu diskutieren. In jedem Fall sollte neben den genannten Änderungen der Lebensweise und Einnahme von Statinen eine dauerhafte Therapie mit Acetylsalicylsäure begonnen werden. Diese verringert das Risiko eines Blutgerinnsels und verringert so die Wahrscheinlichkeit eines erneuten kardiovaskulären Geschehens. Eines sollte jeder Patient unbedingt verinnerlichen: Es ist niemals zu spät, den Kampf gegen die Arteriosklerose aufzunehmen.

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