Gerade in den dunklen Wintermonaten ist die Sehnsucht groß, die Sehnsucht nach den wärmenden Sonnenstrahlen, die aus einem tristen Novembertag wieder eine strahlende Frühlingspracht zaubern. Die Sonne erweckt die Natur zu neuem Leben und vermag auch uns Menschen eine Vielzahl von positiven Effekten zu bescheren. Der alljährliche Winterblues verschwindet, unsere Haut erlangt wieder eine natürliche und attraktive Bräune und die Hormone spielen positiv verrückt.
Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass Sonnenlicht noch mehr gesundheitlich positive Effekte auf den menschlichen Organismus erzielen kann: Die wärmenden Strahlen sind in der Lage, den Blutdruck für eine bestimmte Zeit soweit abzusenken, dass das Risiko für Herzerkrankungen signifikant abnimmt. Nicht ausgeschlossen, dass hier ein Ansatz für neue Therapien im Kampf gegen die Volkskrankheit Bluthochdruck entsteht.
Britische Studie liefert klare Anhaltspunkte
Ganz unbekannt war der blutdrucksenkende Effekt von Sonnenlicht bereits vor Beginn der durch Wissenschaftler der Universität Edin¬burgh durchgeführten Studie nicht: Zahlreiche ärztliche Untersuchungen von Patienten mit einer leichten Form von Bluthochdruck zeigten bereits in den 1980er Jahren, dass die Blutdruckwerte im Sommer unter denen im Winter lagen. Eine wissenschaftlich fundierte Erklärung für die Tatsache fehlte damals. Genau diese könnte nun durch ein Team um den britischen Dermatologen Richard Weller geliefert werden.
Im Rahmen einer von ihm geleiteten Studie wurden unlängst 24 Probanden in Bezug auf die Auswirkung von Sonnenlicht auf den Blutdruck untersucht. Alle Testpersonen waren normotensiv, litten also folglich nicht an irgendeiner Form von Bluthochdruck. Zum Einsatz kam eine Strahlenquelle, welche die Haut der Teilnehmer über einen Zeitraum von genau 20 Minuten mit UVA-Strahlung aussetzte. Vergleichbare Apparaturen kommen auch in Solarien zum Einsatz. Neben Weller war auch Martin Feelisch – Professor für experimentelle Medizin der Universität Southampton – an dem Experiment beteiligt.
Die Bestrahlung mit künstlich erzeugtem Sonnenlicht erzielte bei allen Probanden eindeutige Ergebnisse: Insbesondere der diastolische Blutdruck sank um bis zu 4,9 mm/Hg. Diese vielleicht zunächst scheinbar kleine Reduktion hat langfristig einen eindrucksvollen Effekt auf das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen: Die Wahrscheinlichkeit für einen Herzinfarkt sinkt statistisch gesehen um 21 %, das für Schlaganfälle sogar um bis zu 34 %. Der mittlere Blutdruck sank ebenfalls ab, hier waren es durchschnittlich 3,5 mm/Hg. Bis zu 30 Minuten nach Ende der Sonnenlicht-Exposition war der blutdrucksenkende Effekt noch nachzuweisen. Bei Menschen, die sich im Sommer längerfristig in der Sonne aufhalten, ist demnach mit einer durchaus beeindruckenden Besserung eines Bluthochdruckes zu rechnen.
Sonnenlicht beeinflusst NO-Synthese
Außer den eigentlichen Blutdruckmessungen führte Richard Weller im Anschluss an die Bestrahlung auch Untersuchungen über die chemische Zusammensetzung der Haut durch. Bei allen Studienteilnehmer konnte hierbei eine deutliche Gehaltsabnahme an Nitraten festgestellt werden. Der Anteil an Nitrit hingegen war stets erhöht. Hieraus zogen die Wissenschaftler folgende Rückschlüsse. Unter dem Einfluss von Sonnenlicht kommt es zu einer vermehrten Umwandlung von Nitrat in Nitrit im Rahmen einer Photolyse-Reaktion (eine chemische Umwandlung, die durch Licht induziert wird). Nitrit wiederum ist eine Ausgangssubstanz für Stickstoffmonoxid (NO), welches folglich vermehrt produziert werden kann.
NO ist der Vasodilatator des menschlichen Körpers, d. h. die Verbindung sorgt für eine Erweiterung der Blutgefäße. Durch die Weiterstellung der Adern nimmt der periphere Gefäßwiderstand ab und der Blutdruck sinkt deutlich. Da das Sonnenlicht nur die oberen Hautpartien durchdringen kann, ist der genannte Effekt auch auf diese Körperregion begrenzt. Dennoch machen oberflächliche Hautgefäße einen so großen Anteil des gesamten Blutkreislaufes aus, dass Sonnenlicht durchaus eine effektive Linderung von Bluthochdruck bewirken könnte. UVB-Strahlung ist für eine Blutdrucksenkung übrigens nicht wirksam. Allerdings ist auch diese Art Sonnenstrahlung für den Organismus essentiell, sie stimuliert die Vitamin-D-Synthese, die für Calciumhaushalt und Knochenaufbau unabdingbar ist.
Hautkrebsrisiko sollte bedacht werden
Selbst wenn Sonnenlicht eine alternative und effektive Behandlungsmethode von Bluthochdruck sein könnte, das Hautkrebsrisiko muss bedacht werden. UV-Strahlung kann nachweislich das Risiko von malignen Melanomen (schwarzer Hautkrebs) erhöhen. Genau diese Strahlen sind aber für die Bildung des natürlichen Blutdrucksenkers NO wichtig, denn: Um auszuschließen, dass der hypotensive (blutdrucksenkende) Effekt der Sonnenstrahlung alleine durch die Wärme ausgelöst wird, bestrahlten die Mediziner auch die Haut der Probanden, die mit lichtundurchlässiger Aluminiumfolie abgedeckt war. Unmittelbar im Anschluss konnte keinerlei Veränderung der Blutdruckwerte festgestellt werden. Hier stehen sich Dermatologen und Internisten gegenüber: Während das Haukrebsrisiko sicher ansteigen würde, könnten tausende Herzinfarkte und Schlaganfälle vermieden werden.
Quellenangabe:
- Dt. Ärzteblatt (21.01.2014)
- Studie: Seasonal variation in arterial blood pressure (02.10.1982)
- Pressemitteilung im Journal of Investigative Dermatology (20.01.2014)
- Veröffentlichung der University of Southampton (20.01.2014)
- Atlas Histologie (Ulrich Welsch), Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH
- Sobotta Lehrbuch Histologie (Ulrich Welsch, Thomas Deller), Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH
- Kurzlehrbuch Physiologie (Kerstin Walter, Jens Huppelsberg), Thieme-Verlag Stuttgart
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