Dass zuviel Stress unserem Organismus auf die Dauer schadet ist seit langem bekannt. Insbesondere Volkskrankheiten wie Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall werden – verbunden mit weiteren entsprechenden Risikofaktoren – durch einen stressigen Lebenswandel gefördert. Langzeitbeobachtungen zeigten nun, dass auch das Demenzrisiko durch jahrelangen Stress messbar ansteigt. Ein eindeutiger Beweis für den Zusammenhang steht zwar noch aus, bereits jetzt wird aber über neuartige Methoden der Demenzprophylaxe diskutiert. Im Zentrum steht das Thema Stressvermeidung und –bewältigung.
Es ist ein häufiger, unaufhaltsamer und nicht selten dramatischer Prozess: Die meist älteren Menschen verlieren mehr und mehr den Bezug zu ihrer Umgebung. Das krankhafte Vergessen ist auch heute im Zeitalter modernster medizinischer Möglichkeiten nicht aufzuhalten, allenfalls etwas zu verlangsamen. Einer umso größeren Bedeutung kommt daher der Prophylaxe einer Demenz zu. Aber auch dort tappen Ärzte bislang meist im Dunkeln. Bekannt sind bislang v. a. Bluthochdruck und Adipositas als Risikofaktoren, wie so oft spielen auch die Gene eine wichtige Rolle. Lena Johansson vom Institut für Neurowissenschaften und Physiologie der Gothenburg Universität im Schwedischen Mölndal fand unlängst nach Auswertung einer prospektiven Langzeitstudie heraus, dass ein von Stress beherrschtes Leben das Auftreten einer Demenz fördert.
Langzeituntersuchung begann bereits 1968
Im Jahr 1968 begann die als Langzeitbeobachtung angelegte Studie, 800 Frauen wurden dabei durch regelmäßige Befragungen untersucht. Die Teilnehmerinnen waren zwischen 38 und 54 Jahre alt. In festen Abständen wurden die Frauen durch die Wissenschaftler bezüglich ihrer Lebenssituation und evtl. vorhandenen Stressfaktoren interviewt. Mögliche Stressoren waren dabei der Tod oder eine schwere Krankheit von engen Angehörigen, eine unsichere Situation am Arbeitsplatz, Mobbing oder partnerschaftliche Probleme. Besonders entscheidend für eine evtl. krankheitsauslösende Wirkung ist die Intensität, mit der die genannten Sorgen auf die jeweiligen Frauen einwirkten. Für eine Demenz ist offenbar nicht alleine entscheidend, wie viel Stress der Patient hatte. Vielmehr ist die Art des Umgangs mit den Stressfaktoren maßgebend.
Zahlreiche Stressfaktoren erhöhten Demenz-Rate
Innerhalb des 37-jährigen Beobachtungszeitraumes verstarben 425 der insgesamt 800 Frauen. Rund 150 Probandinnen (19 %) erkrankten an einer Demenz, bei 13 % war es die Alzheimer-Variante. Jene Teilnehmerinnen, die bereits 1968 nachweislich unter lange andauerndem und intensivem Stress litten, hatten ein 15 % höheres Erkrankungsrisiko für Demenz. Die Wahrscheinlichkeit für Morbus Alzheimer stieg gar um ein Fünftel. Offensichtlich wirkt sich der ständige negative Einfluss auf die Psyche ungünstig auf den Hirnstoffwechsel aus. Wissenschaftlich bewiesen ist dies jedoch bisher nicht.
Da die sich aus der Studie ergebende Tendenz aber eindeutig ist, empfehlen Wissenschaftler den Sachverhalt durch weitere Studien und klinische Untersuchungen genauer zu beleuchten. Sollte sich der Zusammenhang zwischen Stress und Demenz wissenschaftlich beweisen lassen, hätte dies Auswirkungen auf Prophylaxe und Behandlung der neurologisch-psychiatrischen Volkskrankheit. Verhaltenstherapien und Strategien zur Stressbewältigung würden an Bedeutung gewinnen.
Quellenangabe:
- Abstract der Studie (30.09.2013)
- Dt. Ärzteblatt (02.10.2013)
- Neuroanatomie: Struktur und Funktion (Martin Trepel), Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH
- Lehrbuch Neurologie (Walter Gehlen und Heinz-Walter Delank), Thieme-Verlag
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