Heroin gehört zu den gefährlichsten Drogen der Welt. Oft werden Konsumenten innerhalb kürzester Zeit abhängig von dem halbsynthetischen Opioid. Strukturell ist Heroin mit dem Morphium verwandt; auch die illegale Droge verfügt über eine sehr stark analgetische (schmerzlindernde) Wirkung. Bereits nach einmaligem Konsum von Heroin reagiert der Körper mit einer vermehrten Bildung spezifischer Rezeptoren, an die das Opioid bindet. Der Körper gewöhnt sich auf diesem Wege extrem schnell an die Droge.
Für den Konsumenten bedeutet dies: Sobald der Blutpegel an Heroin nachlässt kommt es zum gefürchteten Entzugssyndrom. Der Betroffene muss schnellstens erneut Heroin applizieren um die starken Schmerzen zu lindern. Ein Teufelskreis hat begonnen. Diesen zu durchbrechen ist oftmals extrem schwer. Umso aufmerksamer registriert die Wissenschaft deswegen neueste Forschungsergebnisse aus Kalifornien: US-Forschern ist es dort gelungen eine Art Impfstoff herzustellen, der Heroin und seine direkten Metaboliten (Abbauprodukte) nach dem Prinzip eines Antikörpers im Blut abfängt und damit den Eintritt ins Gehirn verhindert. Bei Ratten konnte somit bereits ein Rückfall in die Heroinabhängigkeit verhindert werden.
Impfung verhindert Eintritt von Heroin ins Gehirn
Wissenschaftler am Scripps Research Institute im kalifornischen La Jolla ist es gelungen eine Substanz zu entwickelt, die als Impfung verabreicht den Einfluss von Heroin auf das Gehirn verhindern kann. Heroin wird für gewöhnlich intravenös appliziert. Im Körper erfolgt im Anschluss daran die Umwandlung von reinem Heroin in sein direktes Abbauprodukt 6-Monoacetylmorphin (6-MAM). Letzteres wird zu einem späteren Zeitpunkt zu reinem Morphin weiter metabolisiert. 6-MAM selber ist aber bereits für einen großen Teil der Heroinwirkung verantwortlich. Dies erklärt sich durch die Tatsache, dass es – ebenso wie Morphin – die Opiat-Rezeptoren im Gehirn besetzen kann und damit die typisch schmerzstillende und euphorisierende Wirkung entfaltet.
Der entwickelte Impfstoff besitzt nun die Fähigkeit sowohl das reine Heroin, als auch sein erstes Abbauprodukt 6-MAM im Blut abzufangen. Dies geschieht indem der Impfstoff Antikörper induziert, die sich mit den Heroin- und 6-MAM-Teilchen verbinden und diesen so die Fähigkeit nehmen, im Gehirn ihre psychoaktive Wirkung auszulösen. Da durch eine effektive Impfung möglichst alle Heroin- und 6-MAM-Moleküle unschädlich gemacht werden, entfällt eine weitere Metabolisierung zu Morphin weitestgehend.
Impfstoff darf Morphin-Wirkung nicht aufheben
Da Morphine speziell bei manchen Krebserkrankungen als Therapeutikum unerlässlich sind, darf der Impfstoff keine Auswirkungen auf die Morphin-Wirkung allgemein haben. D. h. auch andere Opiate müssen weiterhin wirksam bleiben. Andernfalls wäre der mit dem Impfstoff behandelte Patient langfristig unempfindlich gegen eine Schmerztherapie auf Morphinbasis. Gleiches gilt für eine mögliche Substitutionstherapie im Rahmen einer Heroinentwöhnung. Aus diesem Grund haben die Wissenschaftler unter Leitung von George Koob den Impfstoff so konzipiert, dass sich die bildenden Antikörper ausschließlich gegen Heroin und 6-MAM richten.
Ratten verloren Heroinabhängigkeit
In ihren Versuchen verabreichten die amerikanischen Wissenschaftler einer Reihe von Laborratten regelmäßig Heroin, bis bei den Tieren eindeutig eine Abhängigkeit nach der Droge nachweisbar war. Die Nager wurden dabei insoweit konditioniert, als dass die Betätigung eines Hebels zur Verabreichung des Heroins führte. Anschließend änderten die Forscher die Versuchsapparatur dahingehend, dass die Ratten bei Drücken des Hebels nun keine „Belohnung“ mehr in Form von Heroin erhielten. Nachdem sich die Versuchstiere an diese Situation gewöhnt hatten, erfolgte bei einem Teil der Ratten eine Injektion des entwickelten Impfstoffes. Nach erfolgter Impfung erhielten die Laborratten wieder Zugang zu Heroin. Interessanterweise schienen die geimpften Ratten jegliches Interesse an dem bereitgestellten Heroin verloren zu haben.
In einem weiteren Versuch erfolgte ein Vergleich zwischen heroinabhängigen Tieren, die nach einem 30 Tage andauernden Entzug wieder Heroin bereitgestellt bekamen. Der Vergleich bestand in der Beobachtung zweier Gruppen von Ratten: Die eine Gruppe erhielt eine Scheinimpfung, die andere eine richtige Impfung. Die Ratten mit dem Scheinpräparat konsumierten sofort wieder Heroin sobald es ihnen möglich war. Wie schon im ersten Versuch verloren die mit dem Impfstoff behandelten Ratten die Appetenz zum Drogenkonsum.
Untersuchungen sind bereit für klinische Studien
Die Ergebnisse des amerikanischen Forscherteams um George Koob sind so überzeugend, dass bereits in Kürze mit der weiteren Erprobung in klinischen Studien begonnen werden kann. D. h. dass die Forschung in Zukunft nicht mehr an Ratten, sondern an Menschen durchgeführt werden kann. Entscheidend ist dabei eine gute Wirksamkeit gegen die Heroinsucht bei gleichzeitig erhaltener Möglichkeit einer Therapie mit Morphinderivaten. In Kürze soll ein Impfstoff gegen Methamphetamin getestet werden.
Quellenangabe:
Presseveröffentlichung durch das Scripps Research Institute (06.05.2013)
Studienbeschreibung: Dynamic vaccine blocks relapse to compulsive intake of heroin
Dt. Ärzteblatt (07.05.2013)
Pharmakologie und Toxikologie (Heinz Lüllmann, Klaus Mohr, Lutz Hein), Thieme-Verlag
Chemie für Mediziner (Axel Zeeck), Urban & Fischer
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